Materia Prima bei Aristoteles

Die empirischen Wissenschaften untersuchen Objekte und Sachverhalte der Welt durch Experimente, Beobachtung oder Befragung. Die hieraus gewonnenen Erfahrungen führen zu einer Hypothese oder widerlegen eine solche. Empirische Forschung findet simuliert im Labor oder direkt als Feldforschung im natürlichen Kontext statt. Zu den empirischen Spezialgebieten zählen u.a. Naturwissenschaften wie Physik, Chemie, Biologie, Psychologie, aber auch Geheimwissenschaften wie die Alchemie, Astrologie oder Numerologie.

Der Begriff Materia prima (erste Materie oder Urmaterie) geht auf Aristoteles zurück. Laut Aristoteles besteht die empirische Wirklichkeit aus Materie (Hyle) und Form (Morphe). Erstere ist die Urmaterie, die allem zugrunde liegt. Letztere bewirkt die Ausdifferenzierung der Urmaterie zur empirischen Welt. Alle Eigenschaften der Dinge sind dabei auf ihre spezifische Form zurückzuführen, während das, was allem zugrunde liegt, Materie ohne Eigenschaften ist. Die Ausdifferenzierung der Urmaterie in der Welt basiert auf vier Elementen: Feuer, Erde, Wasser und Luft sowie vier Eigenschaften: kalt, warm, feucht und trocken. Das Feuer ist warm und trocken, die Luft warm und nass, das Wasser kalt und nass, die Erde kalt und trocken. Durch Veränderung der Eigenschaften lassen sich die Elemente beliebig umwandeln. Zum Beispiel: nimmt man der Luft ihre Wärme, wird sie zu Wasser.


Neben den vier Elementen gibt es nach Aristoteles ein weiteres fünftes Element, den Äther, bei den Alchemisten als Quinta essentia bekannt.

Die Hypothesen des Aristoteles waren vom Grundsatz her auch im Gedankengut der Alchemisten verbreitet:


  • Erstens ist die Urmaterie für alle Gegenstände die gleiche
  • Zweitens ist die Form dasjenige, was den spezifischen Gegenstand ausmacht
  • Drittens kann ein Gegenstand in einen anderen verwandelt werden, indem man seine Eigenschaften ändert


Zum Beispiel bestehen alle Metalle aus der gleichen Grundmaterie. Der einzige Unterschied ist die spezifische Form und diese ist grundsätzlich veränderbar. Des Weiteren nahmen die Alchemisten verschiedene Reifegrade der Materie an. Die Natur strebt nach Vollkommenheit. Ziel und Zweck jeglicher Materie sind das Erreichen höchstmöglicher Vollkommenheit. Das, der Metalle ist es Gold zu werden. Gold ist das letzte Metall. Auszug aus dem Pharmaco catholico: "Das letzte Metall aber wird daher das letzte Metall genannt, weil es zu einer reifen Perfektion und Ende gekommen ist; das Ende aber aller Metallen ist das Gold". Aufgabe des Alchemisten ist es, diesen Reifeprozess durch Kunst zu beschleunigen. Dabei wurden die spezifischen Eigenschaften des Goldes als materielle Essenz (Quintessenz oder Spiritus) aus dem Gold extrahiert und in ein anderes Metall gepflanzt, wo sie sich wie ein Same fortpflanzen sollte.


Die Vier-Elementen-Theorie des Aristoteles wurde in der traditionellen Alchemie durch die Lehre von den zwei Prinzipien: Merkur (Quecksilber) und Sulphur (Schwefel), die sogenannte Merkur-Sulfur-Theorie ersetzt. Diese beiden waren für die Alchemisten die Grundbestandteile aller Metalle. Sie verstanden darunter keine Elemente, sondern vielmehr Prinzipien mit gewissen Eigenschaften, die mit chemischen Prozessen in Verbindung standen. Merkur stand für Verflüssigung und Flüchtigkeit, Sulphur für Brennbarkeit. Die zwei Prinzipien wurden später von Theophrastus Bombast von Hohenheim, genannt Paracelsus um ein drittes Prinzip ergänzt: Sal.


Auch die Alchemisten hatten ihr eigenes Manifest, die Tabula Smaragdina. Als Verfasser gilt der Gott Hermes Trismegistos, Schutzheiliger der Alchemisten und Begründer des Hermetismus. Die Tabula Smaragdina beschreibt in verschlüsselter Form, das, was der deutsche Wissenschaftshistoriker Hans-Werner Schütt (* 1937) als Standardverfahren der Alchemie bezeichnet hat.


Die Alchemisten sagten, nur wer Azoth (Mercurius Philosophorum) und IGNIS hat, kann das große Werk vollbringen. Die alchemistischen Verfahren gründen auf der Vorstellung von einer metallischen Ursubstanz, der Prima Materia Metallorum. Die Prima Materia oder Quintessenz eines Metalls ist dessen Mercurius. Der Mercurius (Semen Metallorum) ist die metallische Ursubstanz mit der das Opus Magnum, die Bereitung des Steins der Weisen, beginnt. Für das große Werk werden nur zwei Metalle gebraucht, das erste und das letzte Metall. Das erste Metall ist der Wasserstoff, die Prima Materia Metallorum. Als metallischer Wasserstoff wird eine Hochdruckmodifikation des Wasserstoffs bezeichnet. Seine Existenz wurde theoretisch vorhergesagt und ist bislang nur bei sehr hohen Drücken und Temperaturen nachgewiesen worden. Im März 1996 gelang den Wissenschaftlern S. T. Weir, A. C. Mitchell und W. J. Nellis vom Lawrence Livermore National Laboratory, erstmals die Herstellung von metallischem Wasserstoff, wenn auch nur für ungefähr eine Mikrosekunde. Dafür waren mehrere tausend Kelvin und Drücke von mehr als 1011 Pascal erforderlich. Metallischer Wasserstoff besteht aus einem Gitter aus Atomkernen (Protonen) mit einem Abstand, der wesentlich kleiner ist als der Bohrsche Radius. Metallischer Wasserstoff ist in großen Mengen in den durch Gravitation komprimierten Kernen von Jupiter, Saturn und einigen neuentdeckten extrasolaren Planeten enthalten. Metallischer Wasserstoff könnte aber auch ohne permanenten Druck und Tiefkühlung stabil bleiben. Wem das gelingt, der hat die metallische Ursubstanz der Alchemisten, mit der das Opus Magnum, die Bereitung des Steins der Weisen, beginnt, gefunden.


Das letzte Metall aber ist das Gold, denn nur aus ihm ist der metallische Sulphur, der wahre Goldschwefel, der rote Löwe (IGNIS) zu ziehen. 

Um das große Werk zu vollbringen, sind laut den Alchemisten drei Feuer (Reagenzien) notwendig:


  1. Ein natürliches den Körpern innewohnendes Feuer: dies ist der wahre Goldschwefel, der rote Löwe (IGNIS).
  2. Ein doppeltes feuchtes Feuer: Dies ist der AZOTH, welcher aus der Verbindung zweier konträrer Elemente, nämlich Sulphur und Nitrum entsteht. Konträr, weil sie sich bei Vereinigung gegenseitig verzehren, also keine Verbindung eingehen. Damit diese beiden Elemente miteinander reagieren, wird ein Katalysator, das geheime Salzfeuer benötigt. Aus der Verbindung der beiden konträren Elemente Sulphur und Nitrum entsteht das Universalmenstruum, der Mercurius Philosophorum oder rote Adler und nur dieses Feuerwasser vermag das Gold radikal aufzulösen und in seine Materia prima zurückzuführen. Das doppelte feuchte Feuer kann nicht hergestellt werden, ohne das dritte Feuer, das geheime Salzfeuer der Alchemisten.
  3. Ein trockenes mineralogisches Feuer, das geheime Salzfeuer der Alchemisten, das durch einen besonderen Kunstgriff in das feuchte Feuer destilliert werden muss, worin das rote flüchtige Feuer (der flüchtige rote Schwefel) zu Wasser kondensiert ist.


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